Meinung: Ist das Ende der deutschen Autorepublik nahe?

Das Land, das einst von auto-industriefreundlichen Kanzlern regiert wurde, erlebt ein Ende der Boni für Käufer aller Neuwagen – mit Ausnahme von Elektroautos. Henrik Böhme von der DW sagt, das sei ein ziemlicher Paradigmenwechsel.

Die Chefs der deutschen Automobilhersteller haben lange genug gute Mine zum bösen Spiel gemacht. Die Volkswagen-Vorstände kommentierten, dass zusätzliche Boni, die für vollelektrische Autos und Hybridfahrzeuge gewährt werden sollen, “ein wichtiger Anreiz” seien.

Daimler nannte die politische Entscheidung, mehr Boni für Elektroautos zu gewähren, “einen guten überparteilichen Kompromiss”. Der CEO von BMW bemerkte, die fragliche Maßnahme sei “ein bedeutender Schritt zur Beschleunigung des Transformationsprozesses” in der Branche.

In Wirklichkeit aber werden die Bosse vor Wut geschäumt haben. Immerhin hatten die Ministerpräsidenten der deutschen Bundesländer, in denen die wichtigsten Autohersteller ansässig sind, für Boni für die Käufer aller Autos plädiert.

Doch diesmal blieben ihre Versuche erfolglos, da sich die Regierung ausnahmsweise und ziemlich überraschend nicht vor der mächtigen Lobby der Autoindustrie beugte.

Erinnern wir uns für einen Moment daran, wie es gewöhnlicherweise in der Vergangenheit ablief. Als die Europäische Kommission schärfere Abgasnormen einführen wollte, gingen deutsche Führungskräfte und ihre Lobbyorganisation VDA nach Brüssel, um Druck auszuüben.

Bald darauf erschien der deutsche Bundeskanzler dort, um dasselbe zu tun. Letztendlich sind dann die vorgeschlagenen strengeren Normen verwässert, um den Interessen der Automobilindustrie gerecht zu werden. Es sieht so aus, als seien diese Zeiten nun endgültig vorbei.

Das kommt davon, wenn man betrügt

Die Autoindustrie dürfte wenig Grund zur Klage haben, da sie durch die Emissionsbetrugsskandale nicht wenig Anteil an der Verärgerung der politischen Entscheidungsträger hatte. Die Politiker in Deutschland sprechen von einem Vertrauensbruch und verweigern der Branche ihre bisherige Sonderbehandlung – eine Art Vorzugsbehandlung, die dem Maschinenbausektor und anderen nie zuteilwurde.

Nun sieht das neue Coronavirus-Konjunkturpaket der deutschen Regierung ziemlich zukunftsorientiert aus. Es umfasst 50 Milliarden Euro (57 Milliarden Dollar) für die Forschung zur Nutzung von Wasserstofftechnologie, künstlicher Intelligenz (KI) und 5G-Mobilfunk.

Nur etwa 5 Milliarden Euro werden für Käufer von umweltfreundlichen Autos, mehr EV-Ladestationen und die Forschung an Batteriezellen bereitgestellt. Auch die Maschinenbauer sollen Anreize für bestimmte Investitionen erhalten.

Doch jetzt zurück zu den Autoherstellern. Der Transformationsprozess, der in der Branche gerade in vollem Gange ist, sorgt bei den Beschäftigten sicherlich für Angst. Die Coronavirus-Pandemie hat diese Befürchtungen noch verstärkt, die Autoverkäufe sind stark zurückgegangen und ein Ende der Krise ist noch nicht in Sicht. Nur China hat bisher eine gewisse Marktverbesserung erlebt.

Aber vergessen wir nicht, dass die deutschen Autohersteller ein sehr erfolgreiches Jahrzehnt mit Rekordverkäufen hinter sich hatten, in dem sie Rekordgewinne sichern konnten. Im Fall von Volkswagen geht es um 28 Milliarden Euro – dem Autohersteller würde es also sehr gut gehen, wenn er nicht im Zuge des Dieselgate-Skandals rund 30 Milliarden Euro zahlen müsste.

Auch BMW und Daimler hatten extrem gute Gewinne verbucht. Ich wäre eher besorgt über die vielen Zulieferer, die vom Schicksal der großen Hersteller abhängig sind.

Profit für andere?

Die Autohersteller müssen nun mit der Entscheidung der Regierung leben. Boni für Käufer von neuen Elektroautos oder Hybriden werden nur gewährt, wenn die betreffenden Fahrzeuge nicht mehr als 40.000 Euro kosten. Das bedeutet, dass Sie nicht in den Genuss solcher Boni kommen, wenn Sie beispielsweise einen Audi E-Tron oder einen Mercedes EQC kaufen möchten – die kosten mindestens 70.000 Euro.

Es gibt immer noch keine wirklich erschwinglichen Elektrofahrzeuge von deutschen Autoherstellern. Nur ein Viertel aller Modelle, die von den Boni profitieren würden, stammen von deutschen Herstellern. Das bedeutet, dass französische und südkoreanische Autohersteller aufgrund der höheren Boni, die es jetzt gibt, viel wahrscheinlicher einen Verkaufsanstieg erleben werden.

Sollten wir viel Hoffnung darauf setzen, dass VW und seine ID.3 diesen Sommer auf den Markt kommt? Nun, im Moment gibt es noch viele Berichte über Software-Pannen. Und es kann Teslas Modell 3 nicht wirklich das Wasser reichen, denn es verbraucht 10% weniger Strom pro 100 Kilometer (62 Meilen). Teslas Giga-Fabrik, die vor den Toren Berlins gebaut wird, bereitet den deutschen Autoherstellern ohnehin schon Gänsehaut.

Unabhängig davon, was man von den ökologischen Vorteilen und den derzeitigen technologischen Mängeln von Elektrofahrzeugen hält, scheint die Weigerung der Bundesregierung, das alte Modell der Boni für alle Neuwagen zu erneuern, eine neue Ära einzuleiten.

Die Automobilindustrie wird entscheidend bleiben, aber sie wird gegenüber anderen großen Sektoren nicht mehr bevorzugt behandelt, denn sie beschäftigen auch Hunderttausende Menschen.